Vertrauen: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Skandinavien als Vorbild
von Elita Wiegand
Der Kern des skandinavischen Wohlstandsgeheimnisses liegt in einer kostbaren, sich selbst vermehrenden Ressource: Vertrauen. Und so gelten die nordischen Länder auch als die Wiege des Vertrauens: Hier trifft aufeinander, was für ein gelassenes, erfolgreiches und soziales Miteinander sorgt.
Menschen in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland schenken sich und ihren Politiker:innen ein hohes Maß an Vertrauen. Sie erleben ihren Alltag mit der Überzeugung, dass Ehrlichkeit und Transparenz gelebt werden und jeder seinen Beitrag für das Gemeinwohl leistet. Ganz wichtig und das ist besonders beeindruckend: Die Bürger:innen halten den Staat nicht für ihren persönlichen Feind, der nur dem Zweck dient, ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und: Sie vertrauen ungefähr doppelt so sehr wie Deutsche, Italiener, Amerikaner den demokratischen Institutionen, der Polizei und dem Sozialstaat.
Warum ist die Vertrauenskultur dort so stark?
In Skandinavien entsteht Vertrauen ganz natürlich: Die Regierungen arbeiten effektiv und transparent, Korruption ist selten und die Bürger erleben, dass Gesetze für alle gelten, ohne Ausnahme. Offenheit, Gleichberechtigung und ein geringer Unterschied zwischen Arm und Reich fördern die Zusammenarbeit. Fehler werden nicht vertuscht, sondern gemeinsam besprochen und als Chance für Verbesserungen genutzt. Kinder lernen schon früh, Autoritäten zu hinterfragen und werden ermutigt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Unternehmen setzen auf Teamgeist; Konkurrenz und Neid stehen selten im Vordergrund.
Für einen lebendigen Beitrag lassen sich in den nordischen Ländern zahlreiche konkrete Vertrauenspraktiken einbauen, die den Alltag prägen und das gesellschaftliche Miteinander stärken:
Beispiele aus Gesellschaft und Behörden
- In Schweden agieren Behörden wie Dienstleister: Bürger werden beraten, nicht überwacht, und man geht grundsätzlich davon aus, dass sich die Menschen an Regeln halten. Kontrollen sind selten – Vertrauen ist der Standard.
- Öffentliche Dokumente sind in Schweden leicht einsehbar. Das „Öffentlichkeitsprinzip“ verpflichtet Behörden, größtmögliche Transparenz herzustellen. Bürger können schnell jedes Schriftstück anfordern, was Korruption vorbeugt.
- Im Alltag erleben Skandinavier, dass Kriminalität niedrig ist: In Dänemark lassen viele Menschen ihre Kinder auf öffentlichen Spielplätzen unbeaufsichtigt spielen oder Babywagen vor Cafés stehen: Diebstahl wird nicht befürchtet.
Beispiele aus der Wirtschaft
- Hierarchien sind flach, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Mitarbeiter dürfen Fehler machen, ohne Angst vor starken Sanktionen zu haben.Kollektives Lernen steht im Vordergrund.
- Viele Unternehmen vertrauen darauf, dass Arbeitende selbst mit flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice verantwortungsbewusst umgehen. Das fördert Eigenverantwortung und stärkt das Verhältnis zwischen Leitung und Team.
- Der „Janteloven“-Gedanke: In Norwegen oder Schweden gilt, dass das Kollektiv wichtiger ist als das individuelle Hervorheben: Erfolg ist Teamarbeit, Neid hat wenig Raum.
Zusammenleben und sozialer Alltag
- Anders als in vielen Ländern begegnen sich Fremde zum Beispiel in Finnland oder Island mit Urvertrauen: Man hilft Nachbarn selbstverständlich, tauscht Geräte, übernimmt kleine Dienste ohne Vertrag oder Gegenleistung. Vertrauen gilt als Grundlage des Zusammenlebens.
- Die umfangreiche soziale Sicherheit wie kostenlose Bildung, Gesundheitsversorgung oder starke Absicherung signalisiert den Menschen: Der Staat glaubt an sie, daher erwidern die Bürger dieses Vertrauen.
Mit diesen Beispielen lässt sich die nordische Vertrauenskultur lebensnah im Beitrag zeigen: mehr vertrauen, weniger kontrollieren und gemeinsam gestalten.
Was bedeutet das für Deutschland?
Würde in Deutschland die Vertrauenskultur wachsen, könnten mehr Menschen Verantwortung übernehmen, mutiger handeln und gemeinsame Lösungen suchen. Der Alltag würde gelassener und menschlicher verlaufen: weniger Kontrolle von oben, mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Deutschland liegt im europäischen Vergleich beim gesellschaftlichen Zusammenhalt nur im Mittelfeld, hier ist viel Luft nach oben! Die skandinavische Haltung zeigt, wie gesellschaftlicher Fortschritt Hand in Hand geht. Wir sind vertraut, stärken Wohlbefinden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.